Von den „Ketzern“ im Kloster

Berichte

Einen höchst spannenden Nachmittag erlebten die Besucherinnen und Besucher in der barocken Bibliothek: Stiftsbibliothekar H. Ulrich und der evangelische Pfarrer Dr. Dietmar Weikl-Eschner führten ein ökumenisches Gespräch anhand von protestantischen Büchern aus dem Bestand der Stiftsbibliothek.

Dabei kamen Werke zur Sprache, die für den Bestand einer katholischen Bibliothek eher ungewöhnlich sind, wie z.B. eine „Hauspostille“, die der geistlichen Erbauung und dem Gottesdienst zu Hause diente. Das Stift besitzt auch eine „Agenda“, also ein Buch zur Gottesdienstfeier und Sakramentenspendung aus dem Jahr 1571, dessen Druck (auf der Rosenburg oder in Spitz) einen Höhepunkt des Protestantismus in Niederösterreich darstellt.

Auch eine Ausgabe der „loci communes“ findet sich in der stiftlichen Sammlung; es handelt sich hierbei um die von Philipp Melanchton verfasste erste systematische Dogmatik des Protestantismus. Natürlich wurde der „Lutherbrief“ aus dem Stiftsarchiv gezeigt; ebenso präsentierte H. Ulrich im Stift vorhandene Ausgaben der Lutherbibel und noch viele andere Schätze aus dem Bibliotheksbestand.

Pfarrer Dr. Weikl-Eschner gelang es, die den zuhörenden Katholiken nicht natürlicherweise vertraute Geschichte des Protestantismus auf fesselnde Weise nahe zu bringen und mit H. Ulrich in ein geistreiches Gespräch zu kommen. Ebenso waren die protestantischen Besucherinnen und Besucher, die zum Großteil aus Traiskirchen, der Gemeinde von Dr. Weikl-Eschner, angereist waren, angetan von der Gastfreundschaft in der ihnen nicht unbedingt so vertrauten Kloster-Welt.

Auf das Gespräch in der Bibliothek folgte ein Rundgang durch die stiftlichen Sammlungen. Beendet wurde der Nachmittag mit einer gemeinsamen Vesper in der Stiftskirche. Es war ein geistreicher und heiterer ökumenischer Nachmittag!