Ein(-)Blick in das Haus

Vorwerk am Nordtor

Die repräsentativste Zufahrt zum Stift liegt an der Nordseite. Dies findet seinen Grund möglicherweise darin, dass dies jene Seite ist, die der Richtung Krems zugewandt ist. Diese Stadt war früher der unbestrittene Mittelpunkt der ganzen Gegend. Die Gestaltung stammt von Joseph Munggenast. Die noble Färbelung in weiß und grau und die davor liegende Platzgestaltung lassen den Vorbau in richtiger Weise zur Geltung kommen, Putten geben ihm ein verspieltes Aussehen. In der Mitte des Giebels findet sich, von Engeln gehalten, das Zeichen des hl. Augustinus, das brennende Herz.

Fassaden

Die Gestaltung der Fassaden wurde von Jakob Prandtauer geplant. Er achtete auf größtmögliche Homogenität und versuchte, durch die für ihn typischen Fassadengliederungen ein ansprechendes Äußeres zu gestalten. Insgesamt befinden sich am Stiftsgebäude knapp 460 Fenster, die teilweise als Kastenfenster ausgeführt sind. Die Ostfassade, deren Mächtigkeit sich daraus ergibt, dass durch das abfallende Gelände an dieser Gebäudeseite ein zusätzliches Stockwerk (die Sala terrena) zu Stande kommt, wird im Zuge des Festsaalbaus durch Johann Bernhard Fischer von Erlach geplant. Ihm gelingt es, die Fassadengestaltung in den klassizistischen Stil weiterzuführen. Besondere Feinfühligkeit und Rücksichtnahme gegenüber der Fassadengliederung von Jakob Prandtauer kann man ihm jedoch dabei nur schwer unterstellen.

Altstift

Das südseitig gelegene sogenannte „Altstift“ ist der letzte nahezu unverändert erhalten gebliebene Gebäudeteil der gotischen Stiftsanlage. Alle anderen Trakte mussten im Lauf der Zeit Neubauten weichen. Das Innere beherbergt das mit hochmittelalterlichen Fresken ausgestattete Refektorium. Im Schatten der heutigen Kirche befindet sich der letzte Rest des Kreuzganges. Die Bauweise dieses Traktes lässt den Schluss zu, dass die alte Stiftsanlage sowohl in der Bausubstanz als auch in der künstlerischen Ausgestaltung von hoher Qualität war.

Stiftsturm

Das Wahrzeichen des Stiftes und der Stadt Herzogenburg ist zweifellos der Kirchturm. Seine Geschichte geht zurück in die Zeit, als die Chorherren 1244 von St. Georgen nach Herzogenburg kamen und mit dem Bau einer neuen Kirche begannen. Die untere Hälfte des Turmes stammt noch aus dieser Zeit, das gotische Eingangsportal ist das sichtbare Zeichen dieser Bauperiode (der Vorbau wurde zum Schutz gegen die Witterung um 1820 errichtet). Als der Neubau und die Einrichtung der barocken Kirche ziemlich weit fortgeschritten waren, beauftragte Propst Frigdian Knecht den St. Pöltner Maurermeister Matthias Munggenast 1765 mit der Barockisierung des Kirchturmes. Unter Zuhilfenahme eines älteren Planes des Hofarchitekten Johann Bernhard Fischer von Erlach wurde der Turm nun gestaltet und um 20 Klafter erhöht (heutige Gesamthöhe 75m). Die originelle Turmspitze mit Herzogshut und Stiftskreuz wurde am 6. Juli 1767 um die Mittagszeit „unter Pauken- und Trompetenschall“ aufgesetzt.

Gartenanlagen

Ab dem Jahr 1714 wurde das Stiftsgebäude von Jakob Prandtauer neu errichtet. Unmittelbar dazu geplant wurden auch die Gärten, die je nach ihrer Bestimmung ebenso funktionell wie repräsentativ zu sein hatten. Neben den der Eigenversorgung dienenden Anlagen wie Kräuter- oder Obstgarten, wurde, der klösterlichen Hierarchie entsprechend, ein Garten für den Prälaten, einer für den Dechant, den Stellvertreter des Prälaten, sowie ein Garten für die Mitbrüder, der Kapitelgarten, gestaltet.

Im Zuge der Stiftsrenovierung war es eine Notwendigkeit, für den wiedererstehenden barocken Gesamteindruck des Klosters die bedeutenden Teile der Gärten wieder zu errichten. Dies wurde in unserem Haus ab dem Jahr 2002 in Angriff genommen. Die Folgen des Klimawandels und eingeschleppte Schädlinge bereiten derzeit, wie in allen historischen Gärten, große Schwierigkeiten.

Im Inneren

Auf außenstehende Personen wirkt das Stift riesig und unübersichtlich. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass die großzügige Bauweise der Barockzeit einen anderen Umgang mit Raum hatte, als wir ihn heute gewöhnt sind. So wird nahezu ein Drittel der gesamten verbauten Fläche von Gängen in Anspruch genommen, ein weiteres Drittel durch repräsentative Räume und Säle, die nicht für eine permanente Nutzung gedacht waren und sind. Im Folgenden soll Ihnen ein Einblick gegeben werden in die Räume des Stiftes, die teilweise auch im Rahmen der Führung zugänglich sind.

Prälatenstiege

Zu den barocken Räumen führt die Haupt- oder Prälatenstiege, die ab 1732 eingebaut wurde. Das Fresko im Mittelfeld der Decke schuf Bartolomeo Altomonte 1779. In einer barocken Allegorie zeigt es die Übertragung des Stiftes von St. Georgen nach Herzogenburg im Jahre 1244. Den Stuck schuf der St. Pöltner Balthasar Pöck. Im Jahre 2009 konnten die Prälatenstiege und der daran anschließende Gang einer Restaurierung unterzogen werden, bei der die barocke Färbelung des Stucks wieder hergestellt wurde.

 Festsaal

Den durch zwei Stockwerke aufragenden Festsaal plante der kaiserliche Architekt Johann Bernhard Fischer von Erlach. Die majestätische Raumgestaltung nimmt keine Rücksicht auf das ursprüngliche Konzept von Jakob Prandtauer. Der früher für Empfangs- und Repräsentationszwecke genutzte Saal ist vor allem mit Ornamentmalerei in den Farben altrosa, apfelgrün und königsblau gestaltet. Das Deckenfresko stammt von Bartolomeo Altomonte (1772). Es zeigt in der Mitte die Allegorie der Kirche von Passau, die mit dem Bibelzitat „ite et vos in vineam meam“ („Geht auch ihr in meinen Weinberg“) auf die Wappen einiger Chorherrenstifte deutet – ein deutlicher Hinweis auf deren Aufgabe in der Seelsorge. Die Ölgemälde stellen Bischöfe und Pröpste dar, die sich um das Stift in besonderer Weise verdient gemacht haben.

Bildersaal

Dem Auge des heutigen Betrachters ist der Bildersaal schon beim Eintreten ungewohnt: Das Ideal einer barocken Galerie lag darin, einen Raum mit Bildern quasi „auszutapezieren“. Um eine gewisse Symmetrie in der Gestaltung der einzelnen Wände zu erreichen, wurden Bilder zurechtgeschnitten, zerteilt oder auch ergänzt. Nicht dem Einzelkunstwerk kommt bei dieser Galerie ein besonderer Wert zu, sondern der Gesamtheit des Eindruckes. Die 144 Gemälde sind teilweise sehr kostbar. Viele der Bilder sind Kopien bzw. Nachempfindungen von Werken, deren Originale sich z.B. in den kaiserlichen Sammlungen befanden. Das schmälert ihren Wert für diesen Raum keineswegs: Beim heutigen Museumsbesuch kauft man sich Ansichtskarten oder Poster von Werken, die einem gut gefallen. In der Barockzeit musste man sie nachmalen lassen, um sich das Kunstwerk nach Hause holen zu können. In vielen Schlössern und Stiften wurden in der Barockzeit vergleichbare Bildersäle eingerichtet, doch schon im 19. Jh. trafen sie nicht mehr den Geschmack der Zeit und wurden oftmals aufgelöst, so dass man wirklich von einem Glücksfall sprechen muss, dass der Herzogenburger Bildersaal zur Gänze erhalten blieb.

Konventtrakt

Der zweite Stock beherbergt die Wohnungen der Mitbrüder. Sie sind weitaus bescheidener gestaltet als der erste Stock, sowohl die Geschoßhöhe als auch die Ausgestaltung der Räume betreffend. Jeder Chorherr verfügt hier über seinen eigenen privaten Bereich, der vor allem zur Arbeit und zur Nachtruhe dient – die Mahlzeiten nehmen wir ja gemeinsam im Speisesaal ein. Dieser Trakt wird auch „Klausur“ genannt, da hier nur in Ausnahmefällen Gäste gestattet sind. Es ist der Rückzugsbereich der Mitbrüder, in einem Haus, das ja in weitesten Teilen seinen Besuchern offensteht.

Stiftskirche

Wer die Kirche durch das gotische, noch aus dem 15. Jahrhundert stammende Hauptportal betritt, befindet sich in einem Kirchenraum, der als Thronsaal Gottes gestaltet ist: Der Himmel steht offen! Die Errichtung der Kirche wurde durch den St. Pöltner Baumeister Franz Munggenast 1743 begonnen und war im Rohbau 1748 vollendet. An der inneren Ausgestaltung wirkten viele Künstler mit: Bartolomeo Altomonte malte die Fresken im Kirchenschiff und die Bilder der Seitenaltäre. Die dekorative Wandmalerei wurde von Domenico Francia und Thomas Mathiowitz geschaffen. Der Hochaltar stammt von Jakob Mösl, das Altarblatt und die Fresken im Altarraum von Daniel Gran. Die einzigartige Orgel wurde von Johann Hencke im Jahr 1752 fertiggestellt. Mit der Kirchweihe im Jahr 1785 findet die barocke Bautätigkeit ihren Abschluss: Zur Ehre Gottes und zur Freude der Menschen wurden die Kirche und das Stift so prächtig erbaut und gestaltet. Der Grundgedanke des offenen Himmels zieht sich durch die gesamte Ausgestaltung des Kirchenraumes. Christus hat die Trennung von Himmel und Erde aufgehoben: Als triumphierender Erlöser steht er auf der Kanzel. Durch ihr Vorbild und ihre Fürsprache leiten die Heiligen den Menschen zu Gott hin – sie sind auf den Seitenaltären und in den vielen Gemälden des Kirchenraumes zu sehen. Himmel und Erde, Engel und Menschen jubeln Gott, dem Herrn, zu!

Chorkapelle

In diesem Raum treffen sich die Mitglieder der Gemeinschaft des Hauses am Morgen, zu Mittag und am Abend zum Gebet. Ähnlich den Gewölben der Stiftskirche ist die Kapelle mit ornamentaler Architekturmalerei ausgestaltet. Sie stammt von Domenica Francia (1756). Das Zentrum der Kuppel zeigt das Monogramm Mariens, in den vier Kartuschenfeldern befinden sich Fresken von Martin Johann Schmidt, der der „Kremser Schmidt“ genannt wird. Sie stellen Szenen aus dem Leben Mariens dar. Im Osten beginnt der Zyklus mit der Geburt, es folgt im Westen der Tempelgang, im Norden die Vermählung und im Süden die Darstellung als Immaculata. Das Altarblatt von Martin Altomonte führt den Freskenzyklus weiter indem es die Verkündigung Mariens darstellt.

Osterkapelle

Als Raum für Gebet und Andacht steht den ganzen Tag über die moderne Osterkapelle zur Verfügung. Sie wurde 1999 geweiht. Der kühle Raum besticht durch seine Einfachheit im Kontrast zur barocken Pracht der Gesamtanlage. In die Wand eingelassen ist eine Nische, die das Heilige Grab symbolisiert. Davor liegt der Stein, der vom Grab weggerollt worden war – er ist zum Eckstein, zum Stein des Lebens, zum Altar geworden. Daneben findet sich der Ambo aus Glas. Darin ist auch das Ewiglicht integriert: Hier wird das Evangelium, das Licht für die Welt, verkündet. Ein 15 m langer Glasfries zeigt, von links begonnen, die Erschaffung der Welt aus dem Chaos, den Fortgang der Schöpfung, Christus, den guten Hirten. Zentralfigur ist der tanzende Christus, der dem Kreuz in der Leichtigkeit eines gelösten, eben eines tanzenden Menschen entgegengeht. Unter ihm ist das Grab – aus der Perspektive von Ostern ist er der Auferstandene, der aus dem Grab geht. Der Fries wird gestört durch das Kreuz, das wuchtig und kompromisslos dasteht. Doch: Hier kommt eine Biegung in das fortlaufende Band. Durch das Kreuz ändert sich die Richtung der Welt: Die Querseite zeigt ein Gesicht, in das das Kreuz eingeschrieben ist. Jeder von uns trägt dieses Zeichen Christi in sich. Die Welt ist vollendet. Der Dreischritt der christlichen Heilsordnung Schöpfung – Erlösung – Vollendung ist auf eindrucksvolle Weise von Prof. Wolfgang Stifter, Linz, gestaltet worden.

Sammlungen

Von Beginn an schmückten die Chorherren ihr Kloster mit heiligen Bildern. Deren Mode ist weitgehend zeitgebunden, womit sich ein Ansatz für die Gestaltung einer Sammlung ergibt: Das Ziel besteht darin, die Kunstwerke aus früheren Zeiten aufzubewahren. Selbiges gilt für „heiliges Gerät“ aus den Sakristeien, die entweder nicht mehr benötigt oder nicht mehr verwendbar waren. Auch diese Gegenstände fanden Eingang in die Kunstsammlungen.

In Herzogenburg machten sich die Chorherren Ludwig Mangold (1786-1833) und Theodor von Patruban (1805-1872) um das Zustandekommen der Kunstsammlungen besonders verdient. Ihnen ist der Erwerb der bedeutendsten Werke der heutigen gotischen Sammlung zu verdanken.

Erst nach der Aufklärung entstand in den Klöstern ein gezieltes Sammlerinteresse in unserem heutigen Sinn: Gegenstände wurden erworben, die Sammlungen systematisch auf- und ausgebaut. So besteht auch der größte Teil der heutigen Sammlung von Objekten eingenommen, die im 19. Jh. erworben wurden. Einiges davon stammt aus „Restbeständen“ der Stiftspfarren, die ihre Erhaltung überhaupt dem Umstand verdanken, in das Stift verbracht worden zu sein.

Die heutige Darstellung der Sammlung versucht, diese als selbstverständlichen Teil der Geistesgeschichte des Hauses zu präsentieren. Ihr Zustandekommen verdankt die Sammlung keinem repräsentativen Anspruch, sondern dem Gedanken des Erhaltens und Bewahrens. Dieser Grundgedanke soll auch in die Zukunft weisen: Sammlungen sind ein wichtiger Bestandteil des „kollektiven Gedächtnisses“ der Kulturnation Österreich.

Gotische Sammlung

Das Stift Herzogenburg besitzt eine der bedeutendsten Sammlungen an gotischen Tafelbildern in Niederösterreich. Das Hauptaugenmerk liegt auf Werken der Donauschule. Heute sind die Exponate nach topographischen Gesichtspunkten aufgestellt. So finden Sie im „Garser Zimmer“ bemalte Tafeln und Glasfenster aus der alten Pfarrkirche von Gars/Thunau. Das „Aggsbacher Zimmer“ enthält Werke aus der von Kaiser Joseph II. aufgelassenen Kartause Aggsbach/NÖ. Hier befindet sich der Höhepunkt der Sammlung: Die vier doppelseitigen Tafelbilder des ehemaligen Aggsbacher Hochaltares, von Jörg Breu dem Älteren im Jahre 1501 geschaffen, zeigen das Leiden des Herrn und das Marienleben in vorzüglicher Komposition und Farbtechnik. Der ebenfalls in diesem Raum ausgestellte Marientod zählt zu den bedeutendsten Plastiken Österreichs aus der Zeit um 1500.

Schatzkammer

Hier sind kirchliche Geräte und Paramente untergebracht, deren Gebrauch für besondere Festtage vorgesehen ist. Teils verschönern sie heute noch die Gottesdienste des Stiftes, teils wurden sie durch die Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils (1962-65) außer Dienst gestellt oder werden mit Blick auf ihren historisch-künstlerischen Wert und die durch den Gebrauch zu erwartenden Beschädigungen nicht mehr verwendet.

Unter den ausgestellten Kunstwerken ragt die Monstranz aus dem Jahr 1722 hervor. Die ovale Mittelkapsel, die der Präsentation des Allerheiligsten dient, wird umrahmt von einem reich geschmückten Kronenbaldachin. Der Entwurf stammt vom Wiener Architekten Matthias Steindl. Gefasste Halbedelsteine und Emailbilder zieren die Monstranz, die nach wie vor zu Fronleichnam verwendet wird.

Moderne Kunst

Das Stift Herzogenburg will nicht nur die Kunst vergangener Zeit erhalten, sondern auch im Dialog mit der modernen Kunst stehen. Der herausragendste Raum, der unter diesem Gesichtspunkt steht, ist die Osterkapelle. Jedoch auch an anderen Orten des Stiftes ist die Begegnung mit moderner Kunst möglich, so z.B. beim Zelebrationsaltar in der Stiftskirche von Prof. Wander Bertoni und den zugeordneten Kunstwerken Ambo und Vortragekreuz.